göttlich

Harburger Kulturtag am 04.11.2018

Erster Textbeitrag zum „Weltfest der Götter“ in der ehemaligen Dreifaltigkeitskirche im Rahmen eines Kunstprojektes.

GÖTTLICH

Meine Füße laufen über Stock und Stein, waten durch Matsch und tasten über trockene Tannenzweige. Dann überquere ich auf dem großen Rundweg im Barfußpark die Obstwiese und komme vor einem Schild an, auf dem geschrieben steht:

Ja, das ist es! denke ich und lausche. Andächtig.

Trotz guter Übersetzung verstehe ich Gott immer noch nicht, aber der Klang erfüllt mich.

Menschen suchten schon immer nach Erklärungen für Naturphänomene und fingen an zu glauben. Sie gaben der Allmacht Namen, ersannen Gleichnisse und erfanden Geschichten, in denen sie selber auch eine Rolle spielen.

Wir nutzen die geistige Gabe, zu beschreiben und zu besingen, was wir von der Welt erahnen.

Ich nehme Glauben nicht wörtlich. Für mich ist Gott weder ein alter Mann noch einer von vielen aus einer großen Familie mit komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen. Das Göttliche ist weder männlich noch weiblich, weder Licht noch Finsternis, sondern über alle Dimensionen erhaben, die wir uns je vorstellen können.

Die Natur bringt mich der Idee von Gott am nächsten. Nichts ist so umfassend, so voller Geheimnisse, so übersinnlich. Auf einer unhörbaren Frequenz stellt sich der Menschheit die ewige Frage nach dem Sinn des Daseins und uns vor die Entscheidung, wie wir leben wollen.

Glauben wir tatsächlich, Gottes Wille zu kennen? Halten wir uns für seine Schafe, Kinder oder Krieger? Sind wir unmündig und zum Gehorsam gezwungen, wenn er vermeintlich zu uns spricht, durch wen oder was auch immer? Oder bleiben wir selbst verantwortlich?

Ich weiß nicht, ob Gott gütig und gerecht ist oder Gnade kennt, aber ich wünschte, wir alle hätten mehr Ehrfurcht vor dem Leben und handelten nach all den Werten, die uns angeblich heilig sind.

Den Streit über Religionen begreife ich nicht und mag nicht glauben, dass Gott parteiisch ist oder gar Mord in Auftrag gibt. Das ist aus meiner Sicht menschlicher Größenwahn.

Mein Sinnbild von Gott sieht anders aus: Ich glaube, er ginge barfuß.

 

Motive meiner Bilder-Sprache: Besinnlichkeit, Reflexion und Humor.