Ich war ein scheues Reh.
Das war früher. Die meiste Zeit traute ich mich nicht aus der Deckung, sondern versteckte mich lieber. Überall lauerte in meinen Augen Gefahr, ich witterte sie in fast allem und jedem. Meine Sinne versetzen mich beim kleinsten Anzeichen in Alarmbereitschaft, dann zuckte ich zusammen und duckte mich.
Dadurch, dass ich vor der vermeintlichen Bedrohung Reißaus nahm, konnte ich allerdings nicht lernen, echte Gefahr für Leib und Leben von einer eingebildeten zu unterscheiden.
Heute lasse ich mich beim Äsen kaum noch aus der Ruhe bringen. Wenn ich überhaupt noch ein Reh bin. Vielleicht doch eher ein ganz normaler Mensch, der seine Freude am seltenen Anblick von Rehen hat und ihnen gerne vermitteln würde: Keine Angst, ich tue Euch nichts! Nur vor den Jägern müsst Ihr Euch in Acht nehmen, aber die sind momentan noch seltener anzutreffen. Die jagen vermutlich gerade die Angsthasen.
Ich bin froh, inzwischen mutig wie ein Löwe und bärenstark zu sein. Aber mein Kraft-Tier ist und bleibt das Reh.