Die roten Smarties wachsen in Zuckerschoten.
Das Rätsel, woher die gelben, blauen und grünen stammen, habe ich bis jetzt noch nicht gelöst. Vielleicht werden sie nachträglich eingefärbt, weil die Käufer sich mehr bunte Vielfalt wünschen.
In meiner Jugend erinnere ich mich an nur zwei Sorten Schokolade: Vollmilch und Zartbitter. Doch inzwischen leben wir im reinsten Schlaraffenland.
Die Regale erreichen bald Kilometerlänge. Süßigkeiten und Knabberkram in allen nur denkbaren Farben, Formen, Größen und Geschmacksrichtungen. Es gibt im Überfluss Zuckerwerk mit zartem Schmelz und für diejenigen, die es lieber fest und knackig mögen, Knuperknusperknäuschen. Feinste Füllungen oder harte Kerne in weicher Ummantelung. Die Kollektion ist verführerisch und zum Teil sündhaft teuer, auch nicht gerade leicht, aber lecker.
Was in freier Wildbahn zum Problem wird, gedeiht unter künstlichen Bedingungen umso besser: die Artenvielfalt. Merci, dass es sie gibt, die erfolgreiche Ansiedelung von buntem Fruchtgummi und Lakritz, ohne dass die Existenz von Chips und Schokolade bedroht wäre. All das ist möglich in den weiten, trockenen Ebenen der Einkaufspassagen.
Die Nascherei hat sich deutlich vermehrt. Einst heimisch in kleinen, bunten Nischen, vorzugsweise am Kiosk um die Ecke, eroberte sie nach und nach immer mehr Raum, ob in Tankstellen oder Supermärkten, das Gebiet wächst beständig. Der Siegeszug ist nicht mehr aufzuhalten und eine Verdrängung der gesunden Lebensmittel nur eine Frage der Zeit.
Die Tage der altbackenen Banane sind gezählt. Auch sie ist evolutionsbedingt zum Aussterben verurteilt und wird gewiss in nicht allzu ferner Zukunft einer EU-Norm weichen müssen, weil sie ohne einen triftigen Grund krumm ist – statt quadratisch, praktisch und gut, wie die Konkurrenz.
Selber schuld, wer sich nicht anpassen kann oder will, fliegt raus! Das ist Naturgesetz und auch das der Marktwirtschaft. Da haben so unvernünftige, leicht verderbliche Früchte etc. eigentlich überhaupt nichts mehr zu suchen. Besser, man richtet sich jetzt schon auf eine ausschließlich auf Zucker basierende Ernährung ein. Dann fällt die Umstellung nicht so schwer, wenn das letzte Obst fällt.
Ich möchte dem Trend so gerne trotzen, doch Abend für Abend werde ich schwach und falle über die Schublade her, in der die Köstlichkeiten sich vergeblich vor mir verstecken.
Letzte Nacht hatte ich einen süßen Traum: Morgens gab es Negerkussbrötchen, dazu eine Kanne Kakao. Und ein Frühstücksei. Nachdem ich das abgepellt hatte, bot sich mir eine Überraschung: Das Gelbe vom Ei war aus Hartplastik, darin allerlei Zeug, das wohl zum Spiel einladen und süß sein sollte, aber nicht essbar war – im Gegensatz zur leckeren Schoko-Schale. Das Mittagsmenü auf Empfehlung des Küchenchefs: Süßbraten an Schokoladensauce mit Marzipan-Mousse und Kartoffel-Chips oder knusprig karamellisierte Reiswaffeln. Dazu einen lieblichen Wein und zum Nachtisch Tiramisu mit Eis und on top Crème brûlée. Zum Abendbrot gab es nur noch eine Tafel Luftschokolade, weil man vor dem Schlafengehen nicht so schwer essen soll. Dazu etwas Cola light. After Eight ließen den Abend zu später Stunde ausklingen. Es war ein Alptraum. Ich glaube, mir ist der Appetit auf´s Naschen vergangen – jedenfalls bis heute Abend.
Zum Ausgleich für das ganze klebrige Zuckerzeug soll es morgen Saures geben.