Alle Beiträge von Sonja Alphonso

besonnen

stilles Vergnügen

Gestern genoss ich das Schweigen im Walde. Es war wunderbar.

Als der nächste Lockdown ab dem 16. Dezember verkündet wurde, dachte ich:  Hoffentlich drehen jetzt nicht alle durch und stürmen nochmal die Geschäfte.

Ich habe gut reden, denn mit dem Weihnachtsrummel eh nichts am Hut. Bis zur Besinnungslosigkeit Sachen zu besorgen, ist nicht mein Ding.

Das Leben selbst ist ein Geschenk. Wir brauchen Zeit, das zu erkennen und zu genießen. Denn in der Ruhe liegt die Kraft.

 

Weihnachtsgeschichte

Ausnahmezustand

Vor ein paar Jahren schrieb ich eine Kurzgeschichte, die mir kürzlich wieder einfiel. Beim erneuten Lesen fand ich, dass sie unter den gegebenen Umständen von besonderer Aktualität ist.

Theo stand auf dem zugigen Bahnhof im eisigen Wind, den der einfahrende ICE vor sich hertrieb. Er stellte sich vor, wie mit gleicher Geschwindigkeit Viren Einzug hielten und ihn attackierten. Zu spät, dachte er, eine Erkältung hätte er früher gebrauchen können, um das Familientreffen gut begründet absagen zu können. Mit verschnupfter Stimme und unterbrochen von trockenem Husten hätte er glaubwürdig geklungen und wäre vollständig entlastet gewesen. Doch dann hörte er im Geiste seine Mutter nachfragen, ob er Stress habe, berufliche oder finanzielle Sorgen, sich auch gesund ernähre und insgesamt auf sich achte. Er dachte resigniert, momentan ist mein einziger Stress das bevorstehende Weihnachtsfest.

Er verfrachtete sich und sein Handgepäck in den Zug und nahm seinen Sitzplatz für die zweistündige Fahrt in die Heimatstadt ein. Bis zum Elternhaus bräuchte er eine weitere Stunde.

Er schaute aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft. Das Himmelstor am Horizont öffnete sich ein wenig und ließ einen spaltbreit Licht in die düstere Szenerie. Dann verschwand dieser Hoffnungsschimmer hinter einer Lärmschutzwand und seine Gedanken verfinsterten sich erneut. Er konnte nichts mit diesem Weihnachtsgetue anfangen. Für ihn war es reine Pflicht. Er kam des lieben Friedens willen und aus Höflichkeit denen gegenüber, denen dieses Fest so viel zu bedeuten schien. Heile Familie am Heiligen Abend. Warum tun sich das nur alle Familien an, alle Jahre wieder? Fröhliche Weihnacht all überall, dass ich nicht lache, dachte Theo. Die Fernsehprogramme waren voll von all dem Schmus und selbst jene Filme, die kleine und große Konflikte rund ums Fest thematisierten, schienen Klischees zu bedienen. Erst Zank und Streit, eine verschmorte Gans oder ein Tannenbaum, lichterloh, aber am Ende haben sich wieder alle lieb.

Er versuchte sich abzulenken und schaltete sein Smartphone ein. Die Nachrichten kamen und mit einem Wisch waren sie wieder weg. Belangloses, Beunruhigendes, Besorgniserregendes. Die Kriegsschauplätze kamen immer näher, Terror und Katastrophen und jedes Tief trug einen anderen Namen. Krisen bekamen eigene Titel von und zu Finanz- und Flüchtling, damit man die Probleme noch auseinanderhalten konnte.

Er schaute sich im Abteil um und soweit er von seinem Platz aus sehen konnte, waren fast alle online und vertrieben sich im bläulichen Kunstlicht die Zeit damit, sich zu informieren und zu unterhalten. Er blickte aus dem Fenster in das Morgengrauen. In der Ferne stiegen dampfende Siegessäulen aus hohen Schornsteinen und schickten ihre Botschaft von Fortschritt und Wachstum in die Höhe.

Theo schloss die Augen, er fühlte sich müde, abgespannt. Er hatte viel gearbeitet in der letzten Zeit. Verträge für einen wichtigen Auftrag mussten geprüft und weitreichende Entscheidungen getroffen werden.

Ein Windstoß ließ ihn auffahren. Das Zugfenster fehlte und Papiere flatterten durchs Abteil und bedeckten den Boden wie Herbstlaub. Er beeilte sich, alles aufzusammeln, und ärgerte sich darüber, dass ihm niemand zur Hand ging, bis er registrierte, dass er ganz alleine war.

Theo schreckte auf. Er saß unverändert auf seinem Platz, alles um ihn herum aufgeräumt und ruhig. Das leise, monotone Fahrgeräusch des ICE mutete friedlich an.

Langsam näherte er sich seinem Fahrziel. Er erkannte Häuser und Landschaftsmarken. Einige Gebiete waren inzwischen bebaut und er fühlte einen kleinen Stich bei den vagen Erinnerungen an eine Vergangenheit, die der Moderne weichen musste. Ein Stoppelfeld, auf dem er, seine Geschwister und Nachbarskinder im Wind ihre Drachen steigen ließen. Dahinter ein Bachlauf, an dem sie aus Stock und Stein Dämme gebaut oder sich Sommers wie Winters Mutproben ausgedacht hatten.

Sein Bruder Frank hatte sich bei einem dieser Abenteuer das Knie aufgeschlagen, der Vater hatte geschimpft und die Mutter getröstet und heißen Kakao für sie gemacht.

Das Land seiner Kindheit und Jugend war mittlerweile von Neubaugebieten mit Carports und Supermarktketten mit großflächigen Parkplätzen erobert worden. Er hielt das Smartphone reflexartig in die Höhe, um die fortgeschrittene Veränderung zu dokumentieren, als seine Hand schwer auf seinen Schoß zurücksank. Etwas schnürte ihm die Kehle zu und er blinzelte gegen ein melancholisches Gefühl an, das in ihm aufstieg.

Schöne Bescherung, dachte er angesichts dieser sentimentalen Anwandlung. Mit etwas Mühe fand er seine Fassung wieder.

Nach einer halbstündigen Busfahrt und einem kleinen Fußmarsch, erreichte er schließlich die Gartenpforte, die zu seinem Elternhaus führte, marschierte darauf zu und drückte auf die Klingel.

Ein Schatten tauchte hinter der Milchglasscheibe auf und schon öffnete seine Mutter die Tür und zog ihn ohne zu zögern an sich. Er fühlte ihren weichen Körper und atmete den reinen Duft von Seife und allerlei leckeren Küchendünsten. Sie standen ein wenig länger in dieser innigen Umarmung als üblich. Seine Mutter gab ihm Halt und ließ ihm Zeit, im Hier und Jetzt anzukommen. Schließlich löste er sich von ihr und sie sagte: „Wie schön, dass du da bist.“

Dieser einfache Satz berührte ihn mehr, als er zu sagen vermochte. Deshalb antwortete er schlicht: „Ja, ich freue mich auch, dass ich gekommen bin. Frohe Weihnachten!“

Er stand im warmen Windfang und meinte, etwas Wichtiges erfasst und verstanden zu haben: den Wert von Traditionen und ganz besonders den von diesem Fest.

Wer hätte ahnen können, dass die Entbehrungen in diesem Jahr uns vor Augen führen, wie unbeschreiblich wichtig soziale Kontakte und Kultur für uns sind? Nun ist überdeutlich geworden, wie elementar und kostbar menschliche Nähe ist.

nebulös

Nachtgedanken

Wenn ich eigentlich schlafen müsste, geht mir dennoch dies und das durch den Kopf. Bin ich nur vermeintlich wach und träume tatsächlich?

Manches, was ich mir nächtens zusammenreime, fühlt sich durchaus klar an. Vielleicht nicht ganz durchdacht, aber im Ansatz ausbaufähig. Ich versuche, mir das Ausgedachte zu merken, um es anderntags fortzuspinnen. Aber das ist oft vergeblich, weil sich die Ideen verhüllen, nachdem ich wieder tief und fest eingeschlafen bin.

Einen kleinen Rest von letzter Nacht erinnere ich noch. Es ging um nichts geringeres als einen umfassenden Systemwechsel. Stichwort Gemeinwohlökonomie.

Weil ich das Konsumverhalten fragwürdig finde und gerade wieder ein Black Friday die Bevölkerung eben dazu veranlassen sollte, überlegte ich, ob es nicht sinnvoller wäre, die Mehrwertsteuer anders zu bemessen, indem man zwischen Konsumgütern und Dienstleistungen unterscheidet… um das eine einzudämmen und das andere aufzuwerten.

Zu Ende gedacht ist das noch nicht, aber heute Abend lege ich mich ja wieder Schlafen…

immer meer

mal mal wieder

Vertieft ins Meermalen, verbringe ich Stunden mit Farbe und Pinsel, oder greife zu Spachtel und Lappen. Jede Berührung mit der Leinwand wirkt sich aus.

Manchmal ergibt sich daraus  eine Veränderung im Bild, die mir weniger gut gefällt. Dann ärgere ich mich über mich und wünschte, ich hätte eben das unterlassen, was ich nicht mehr rückgängig machen kann.

Aber was passiert ist, ist passiert. Ich kann nur lernen, gelassener damit umzugehen, wenn mir etwas missraten ist. Dafür muss ich mich von meiner vorherigen Vorstellung lösen, mich erneut auf den Prozess einlassen und sehen, was dabei herauskommt.

Das Meer entzieht sich meiner Kontrolle, aber ich sammle Erfahrungen. Ich habe es in der Hand, das Werkzeug, um weiterzumachen. Meermals erlebte ich dabei schon mein blaues Wunder. Danke dafür.

 

 

entspannend

Bewegung

Jede Welle aufnehmen, und alles, was sich im Verlauf ihrer nie enden wollenden Bewegung abspielt. Auch die Wolken und wie sie ziehen, ihre Formen ändern und das Licht filtern. 

Jede einzelne und wie sie sich zusammenfügen und wieder voneinander lösen. Nichts beruhigt und erfüllt mich mehr, als dieser ewige Wandel.

 

wählerisch

schwierige Entscheidung

Mein Problem? Ich möchte zuviel auf einmal. Lesen und schreiben, malen und spazieren gehen, arbeiten und Freizeit haben, um zu lesen und zu schreiben, spazieren zu gehen, um zu fotografieren und in Bewegung zu bleiben.

Zum Malen brauche ich gutes Licht, aber wenn das Licht gut ist, will ich gerne rausgehen. Wenn die Sonne scheint, ist die Stimmung spürbar besser und alles fällt leichter, selbst die Pflicht.

Aber gutes Wetter ist fast zu schade, um arbeiten zu gehen oder Hausarbeit zu erledigen. Wenn das Wetter hingegen trübe ist, vermag es mir so auf’s Gemüt zu schlagen, dass ich nicht einmal Lust habe aufzustehen, geschweige denn, irgendwohin zu gehen oder etwas zu tun.

Überspitzt gesagt: Ich will alles oder nichts.