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ängstlich

wie gelähmt

Ich bin Risikopatientin und habe die konkrete Angst, mich anzustecken und vielleicht zu sterben, möglicherweise qualvoll, wahrscheinlich isoliert.

Als es mir und meinen Atemwegen letzten Monat sehr schlecht ging, bereitete ich mich mental darauf vor und dachte: Nun, dann sterbe ich eben – nachdem ich ein Leben gelebt habe. Mit zunehmendem Alter MEIN Leben, also ein selbstbestimmtes, erfüllt von vielerlei, das ich selber wählte.

Als es mir besser ging, fingen äußere Umstände an, mein Leben einzuschränken. Lesungen und Konzerte wurden abgesagt, Cafés und Kultureinrichtungen geschlossen, soziale Kontakte auf ein Minimum reduziert. Das machte mir zusehens zu schaffen.

Ein Todesfall in der Familie ohne Corona-Beteiligung verstärkte die Traurigkeit und das Gefühl von Verlust, weil nicht mehr in Gesellschaft getrauert und getröstet werden durfte.

Online beschwören wir alle Verbundenheit. Ich suche sie, finde auch ein kleines Stück vom Glück, aber es ist nicht dasselbe. Die Lücke in meinem Leben ist größer als gedacht. Ich nahm an, ich könnte gut alleine sein und mich selbst beschäftigen. Doch der Antrieb leidet.

Mir fehlt dieses Lebenselixier. Die Energie im Raum, die freigesetzt wird, wenn sich Menschen begegnen. Emojis sind nur ein sehr schwacher Trost und kein Ersatz für gefühlte Begeisterung, für hörbaren Applaus und sichtbare Rührung in Gesichtern.

Ich frage mich, wie lange ich diesen Entzug verkraften werde bzw. wie ich ihn möglichst unbeschadet überstehen kann. Könnte ich nur alles ausblenden und vergessen, warum die Welt den Atem anhält…

Dann könnte ich es mir daheim gemütlich machen, in Ruhe entpannen und ein gutes Buch lesen. Doch das Wissen ist da, schleicht sich beim Lesen zwischen die Zeilen und malt schwarze Schatten an die Wand. Es will mir nicht gelingen, abzuschalten.

Mich beschäftigt auch die Frage nach den gesellschaftlichen Verwerfungen, die die Krise mit sich bringt. Wer wird gut durch diese schwierige Zeit kommen und wer nicht? Wer wird den Shutdown überleben und zu welchem Preis?

Ich sehe massenhaft Existenzen auf dem Spiel, einen enormen Schub für die Digitalisierung, eine Schwächung von Bürgerrechten, eine beängstigende Macht-Konzentration und viele offene Fragen.

Um meinen Arbeitsplatz muss ich im Gegensatz zu vielen anderen nicht bangen. Ich habe mein Auskommen mit meinem Einkommen, kann sogar etwas abgeben von dem, was ich habe.

Dafür ist die seelische Not groß und die reale Sorge, wie es weitergeht. Früher oder später werden sich wohl die meisten anstecken, und was das für mich bedeutet, ahne ich.

Ich bin noch nicht so weit, dass ich einen Plan habe, wie ich heil und nach Möglichkeit gestärkt die Krise überstehen kann. Aber ich denke darüber nach und finde hoffentlich bald einen Ausweg aus dem persönlichen Tief.

lyrische Momente

empfänglich für Poesie

Ich las in meiner Post: Konzepte, die jährlich erscheinende Zeitschrift für Literatur, herausgegeben vom Bundesverband junger Autoren (BVjA). Dieses Mal mit dem Schwerpunkt Nature Writing.

Im Vorwort war die Rede davon, dass es sich um ein recht altes Genre handelt und keine neumodische Erfindung ist, die im Kontext von Klima- und Nachhaltigkeitsdebatten entstand .

Trotzdem ist es geradezu hochaktuell, denn Wissen allein spricht nur oberflächlich an und ist bei weitem nicht so wirkungsvoll wie eine Einsicht,  die aus der Tiefe des Herzens kommt.

Dieser Gedanke ist klug und ich stimme zu: Ohne eine emotionale Komponente ist Verbundenheit kaum möglich.

verbindlich

Momente der Verbundenheit

Wenn ich alle Allianzen, die ich eingehe, beständig auf gleichem Niveau aufrechterhalten wollte, käme ich nicht mehr zu neuen Begegnungen, sondern bewegte mich auf immer gleicher Bahn, wie in einem Karussell.

Verbindlichkeit vermag zur Fessel zu werden, wenn es zu eng wird, um frei zu sein. Ein fester Knoten, der einen an Ort und Stelle festhält und an neuen Beziehungen hindert.

Stattdessen möchte ich lieber ein lockeres Netzwerk knüpfen, viele haltbare Schleifen binden: von Zeit zu Zeit ein Stück gemeinsam gehen, den flüchtigen Augenblick genießen, mich dann aber auch wieder lösen, um weiterziehen und auf der Wanderung Neues kennenlernen zu können.

Nachlese

vortrefflich verbunden

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Ich bin ein Fan von „Vorfreude ist die schönste Freude“.

Einmal wurde ich Ohrenzeugin der gegenteiligen Meinung. Eine Frau argumentierte, sie würde sich nicht vorfreuen, denn sonst wäre sie unweigerlich umso enttäuschter, wenn etwas nicht so einträfe, wie erwartet und gewünscht.

Ich dachte bei mir: das ändert doch nichts am Ergebnis, aber sie bringt sich damit um das schöne Erlebnis von Freude. Nun, jede_r, wie er will. Oder sie. Oder eben nicht.

Bei mir war es nun genau umgekeht,  denn worauf ich mich gefreut hatte, war live gefühlt noch viel schöner als in meiner Vorstellung! Die Lesung von Mary war mehr als rund. Wie ist das möglich? Gibt es eine Steigerung von rund?

Es war rundum berührend und ich mit allen Sinnen dabei. Es war erfüllend und die Begegnung ermöglichte innige Verbundenheit – zu mir selbst und anderen Lebensläufen.

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Grenzen der Verbundenheit

Reserviertheit

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Ich bin kein Einzelgänger, aber auch kein Herdentier. Ich bin ein soziales Wesen und möchte gerne dazu gehören. Aber nicht um jeden Preis.

Ich will mich auch abgrenzen können, wenn ich merke, etwas schadet mir. Ich habe dann allerdings die Sorge, mich durch Rückzug selber auszugrenzen und zu isolieren.

Wo genau ist mein Platz in der Gesellschaft? Ist er für mich reserviert? Und wer mag mit mir zusammensitzen und gemeinsame Sache machen?

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